und wir ja in den Festtagen ein wenig unfeste Zeit haben ...
eine Buchbesprechung ...
„ Das Wörterbuch des Gutmenschen“ Betroffenheitsjargon und Gesinnungskitsch, hrsg. Von Klaus Bittermann. Serie PIPER,2695, 1995, Verlag Klaus Bittermann ISBN 3-492 22695-7
Wer sich mal so richtig im „Enthüllungsjournalismus“, dem Gebrauch von geleerten“ Floskeln sühlen will, dem sei die Lektüre empfohlen.
„Aus dem Klappentext: Analytisch, pamphletistisch: ein Standardwerk über Gesinnungssprache und Plapperjargon, ein Nachschlagwerk für alle, die nicht von der Unschuld des Wortes überzeugt sind.“
Das Werk ist von A wie anderer Kulturkreis ( Volker Gunske) bis Z wie zunehmend ( Michael Rutschky) stichwortartig geordnet. Aus der cirka 70 Begriffe starken Auswahl einige Gustostückerln: Betroffenheit.
Denkanstoß
Ehrliche Gefühle
Ich persönlich
Mit schauderndem Vergnügen merkt der Leser/ die Leserin, dass nicht nur die doofen Politiker, sondern auch er/ sie nicht in allen Fällen den verlockenden Fängen des gutmenschlichen Plapperns entgeht – aber beim Lesen der eigenen Lieblingsfloskeln wird die Ursache und die Folgen des Plapperns einem schonungslos vor die guten Augen geführt und wir merken am Schluss, dass es doch am ehrlichsten ist, das direkt zu sagen, was man meint. Aber wir erfahren eben auch, warum es (meist) bequemer ist, Floskeln zu benutzen.
Statt weiterer Bewertung: eine Kostprobe:
Geschmacklos
Beliebtes Attribut, wenn gute Menschen sich von Satire, Polemik oder sonst wie gearteter Kritik belästigt oder angegriffen fühlt. Von den eher konservativ orientierten Gutmenschen in eine Reihe mir *unverschämt*, * arrogant* , und *zynisch* ( besonders schön: „Das ist ja die Höhe!“)gestellt, bei den hundertprozentig fortschrittlichen Menschen als gleichwertig mit * sexistisch*, * rassistisch*, und * antisemitisch* angesehen, bezw. In Verbindung mit ihnen gedacht. Über Leute, die * geschmacklos* im Munde führen, darf man nicht lachen, weil sie Komik und Humor nur vertragen können, wenn sie rezeptpflichtig sind und sie sich auf der Verpackungsbeilage über die Verträglichkeit des Wirkstoffes vergewissern können. Über Geschmack lässt sich bekanntlich streiten, bei Anwürfen oder Einlassungen, denen das Brandzeichen * geschmacklos* aufgedruckt wurde, ist Sorgfaltspflicht jedoch überflüssig.
Ständig fühlt sich der gute Mensch verpflichtet, gegen das Böse in Form des Geschmacklosen anzugehen. Alles also, was sein Gewissen nicht erträgt, was seine zusammengeborgten Auffassungen von richtign Weltübel nicht teilt, d.h. jeder vernünftige Satz muss seiner kruden Logik nach * geschmacklos* sein.
Wie sagte schon Wilhelm Raabe vor geraumer Zeit so überaus zutreffend und allgemeingültig? „ Verpflichtet bin ich durch mein Auftauchen auf der Erde zu nichts.Es kann niemand verlangen, dass ich ein so genannter guter Mensch werde.“ (
Michael Rudolf (geb. 1961,lebt als Liebesperlentaucher in Abu Dabi, schreibt hin und wieder Texte. Buchveröffentlichungen ( zusammen mit Jürgen Roth „ Spaltprodukte.Gebündelte Ost-West-Vorurteile“Leipzig 1995
Also, wer sich mal schonungslos ins verquollene Auge blicken will: ran ans Buch!
PS: Als ich es mir vor einigen Jahren kaufen wollte, war es vergriffen... klar.. da haben wieder die Gutmenschen zugegriffen ....
Habe es aber aus der Wiener Zentralbücherei ausgeliehen und mit Genuss gelesen ...